Ein Buch über Mosambik verbindet Vergangenheit und Gegenwart
Matthias Voß, Herausgeber der Buches „Wir haben Spuren hinterlassen! Die DDR in Mosambik. Erlebnisse, Erfahrungen und Erkenntnisse aus drei Jahrzehnten“, verfasste eine Rezension für das Neue Deutschland über mein Buch „Berichte aus dem Morgengrauen. Als Entwicklungshelfer der DDR in Mosambik“.
Neues Deutschland vom 1. August 2006, von Matthias Voß
Berichte aus dem Morgengrauen. Ein Buch über Mosambik verbindet Vergangenheit und Gegenwart
Der ehemalige DDR-Entwicklungshelfer Rainer Grajek veröffentlicht mit »Berichte aus dem Morgengrauen« ein Buch, das eine Analyse der mosambikanischen Verhältnisse der 80er Jahre mit den Entwicklungen der Gegenwart verknüpft.
Zwischen 1981 und 1986 war Rainer Grajek aus der DDR im mosambikanischen Erziehungsministerium tätig. Er half bei der Ausgestaltung des mosambikanischen Bildungssystems und der Qualifizierung von Lehrern mit. Unmittelbar nach seiner Rückkehr hielt er seine Erinnerungen mit Hilfe seiner »Erika« (für Uneingeweihte: Eine Reiseschreibmaschine aus DDR-Produktion) fest. 16 Verlagen bot er das Manuskript an – alle lehnten aus unterschiedlichen Gründen ab. Als sich schließlich die DDR aus der Weltpolitik verabschiedete, landete der Text gänzlich in der Schublade. Nun hat der Autor ihn daraus doch noch befreit, um einen aktuellen Prolog und ein Abschlusskapitel aus der Sicht des Jahres 2005 bereichert und der Öffentlichkeit vorgelegt.
In neun Kapiteln beschreibt der Lehrer und Historiker nicht nur seine unmittelbare Tätigkeit und die Lebensbedingungen für ihn und seine Familie in Maputo, sondern berichtet detailliert und analytisch tiefgründig über Bildungswesen, politische Situation im Lande, Alltag, Traditionen und Lebensgewohnheiten der mosambikanischen Menschen.
Das Kapitel »Volksbildung in Mosambik« etwa stellt Historie und Gegenwart des Bildungswesens aus der Sicht der 80er Jahre vor, beschreibt ausführlich die Bildungschancen der Menschen in der Kolonialzeit und die Hoffnungen, die in die Herausbildung einer neuen nationalen Lehrergeneration gesetzt wurden.
Das Kapitel »Lebensweisen« widmet sich ausführlich Hochzeitsbräuchen, Polygamie und Lobolo, aber auch Fragen der zwischenmenschlichen Beziehungen, beispielsweise in den Gemeinschaftsdörfern und in den wenigen Industriebetrieben des Landes. Grajek verwendet dazu eigene historische Forschungen, Berichte aus Landeszeitungen und Erkenntnisse aus unmittelbaren Begegnungen mit den Menschen.
Immer wieder stellt Grajek Verbindungen her zwischen aktuellen Erfolgen oder Schwierigkeiten und ihren historischen Hintergründen. So lädt er die Leser zu einer Zeitreise in die Vergangenheit der Haupstadt Maputo ein. Er erzählt etwa von den »Schmieden der Kader« und Menschen wie Madalena Lhomulo tauchen auf, die trotz schwerer persönlicher Belastungen den Weg bis zum Lehrerstudium fand.
In die Zeit des Aufenthaltes von Grajek fiel der Kongress der FRELIMO, der mosambikanischen Befreiungsbewegung. In ihren Kampf um die Unabhängigkeit von den Portugiesen hatten die Mosambikaner damals große Erwartungen gesetzt. Interessant ist nicht nur Grajeks Auseinandersetzung mit dem Kongress, sondern auch die Schilderung der Bemühungen der FRELIMO, die Menschen für zusätzliche Planerfüllung, Ordnung und Sauberkeit zu mobilisieren.
Auch kritische Fragen spart das Buch nicht aus, so die Erregung der DDR-Berater, als 1983 die Strafe des Auspeitschens in Mosambik eingeführt wurde. Der »nichterklärte Krieg« der südafrikanischen Rassisten wird anhand von Berichten Beteiligter auf beiden Seiten und Dokumenten, die in der mosambikanischen Presse veröffentlicht wurden, in seinem Grauen erlebbar. Besonders eindrucksvoll wird geschildert, wie die Menschen die Nachricht vom Tod von Präsident und FRELIMO-Chefkommandant Samora Machel erhielten, der bei einem dubiosen Flugzeugabsturz ums Leben kam. Wie in Zeitlupe ziehen die tragischen Ereignisse jener Tage am Leser vorbei.
2005 kehrte der Autor nach Mosambik zurück. Seine Ergänzungen zeichnen ein Bild von der widersprüchlichen Entwicklung des Landes in der Gegenwart. Von der großen Hoffnung der 80er Jahre ist, so der Eindruck des Autors, wenig geblieben.
Nicht nur Leser, die aus der DDR nach Mosambik kamen, werden dieses überwiegend in reportagehaftem Stil geschriebene Buch mit Interesse lesen. Es ist auf besondere Weise ein historisches Dokument. Unmittelbar nach dem Einsatz in Mosambik geschrieben, vermittelt es ungefiltert Denkweisen und Sprachgebrauch der DDR-Vertreter in Mosambik, es macht deutlich, was die DDR in Mosambik, vor allem auf dem Gebiet des Bildungswesens, erhofft und für realisierbar gehalten hat. Wer die 290 Seiten gelesen hat, wird Mosambik besser verstehen und auch mit den deutsch-mosambikanischen Beziehungen der letzten 40 Jahre besser umgehen können.
Grajek, Rainer: »Berichte aus dem Morgengrauen. Als Entwicklungshelfer der DDR in Mosambik«, ISBN 3-938294-06-X. Erhältlich bei www.amazon.de.
Letzte Aktualisierung: 19. September 2020